GESAMTEINDRUCK: „Goodbye Christopher Robin“ ist die berührende Biografie dreier Menschen, die das Glück gepachtet zu haben schienen, insgeheim jedoch am Leben litten: Es geht um die Familie von A. A. Milne, dem Autor von „Pu der Bär“.
DIE STORY: Der britische Schriftsteller Alan Alexander Milne (Domhnall Gleeson) kehrt traumatisiert aus dem Ersten Weltkrieg zurück Im Bemühen, seine Stimme als Autor wiederzufinden, schreibt er Kindergeschichten, in denen sein Sohn Christopher Robin und dessen Stofftiere die Hauptrollen spielen. „Pu der Bär“ wird zum Bestseller und alle Welt beneidet den kleinen Christopher Robin. Der jedoch sehnt sich nicht nach Ruhm, sondern (oft vergebens) nach der Liebe der Eltern. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, setzt er gegen den Willen des Vaters durch, in die Armee einzutreten. 1941 erhalten die Milnes ein Telegramm, ihr Sohn sei vermisst…
DIE STARS: Domhnall Gleeson, der Sohn des irischen Schauspiel-Granden Brendan Gleeson, teilt seine Zeit zwischen Blockbustern (als General Hux gehört er zum aktuellen „Star Wars“-Personal) und Arthaus-Projekten. Die Australierin Margot Robbie, die in „Goodbye Christopher Robin“ seine attraktive, aber seelisch erstarrte Gemahlin spielt, war dieses Jahr für ihr Porträt der Eiskunstläuferin Tonya Harding in „I, Tonya“ für den Oscar nominiert.
Der britische Regisseur Simon Curtis ist ein Spezialist für biografische Stoffe. 2011 hatte er seinen Durchbruch mit dem famosen Monroe-Kammerspiel „My Week With Marilyn“. 2015 inszenierte er – großteils in Wien – das Restitutions-Drama „Die Frau in Gold“, in dem Helen Mirren die Klimt-Bildererbin Maria Altmann spielte.
DIE KRITIK: Selten bekommt man die Binsenweisheit, wonach Geld allein nicht glücklich macht, so nachdrücklich vorgeführt wie in „Goodbye Christopher Robin“. Der Film spielt in einer Welt des schönen Scheins, in der hinter der Glitzerfassade tiefe Abgründe lauern.
Der Autor A. A. Milne ist nach den Schlachten des Ersten Weltkriegs innerlich weitgehend verstummt und kann sich am besten in seinen Schriften ausdrücken. Seine Frau Daphne (Margot Robbie) wirkt wie ein personifizierter Eiskalter Engel: Wunderschön, aber vollkommen frei von Zärtlichkeit und Empathie.
Der kleine Sohn Christopher Robin (als Achtjähriger entzückend gespielt vom Kinderdarsteller Will Stilston) findet Mütterlichkeit nur bei seiner Nanny Olive (Kelly Macdonald) – und es wird eine Katastrophe für ihn, als sie die Milnes verlässt, um eine eigene Familie zu gründen.
Dieser Abschied ist nicht die einzige Katastrophe im Leben des Knaben. Als menschliche Hauptfigur der Geschichten von Pu dem Bär wird Christopher Robin zur Projektionsfläche der Träume zahlloser Kinder. Doch wenn er auf Empfängen und PR-Terminen herumgereicht wird, dann kommt er sich vor wie ein Ausstellungsstück.
„Goodbye Christopher Robin“ konzentriert sich, der Filmtitel deutet es an, mit zunehmender Dauer immer mehr auf den langen, schwierigen und schmerzensreichen Weg des Knaben zu einem selbstbestimmten Leben. Das ist einerseits ergreifend, hat aber andererseits nicht übertrieben viel Tiefgang: Ohne die Verbindung des Jungen zu Pu dem Bär wäre diese Biografie wohl kaum verfilmt worden.
Die Leser und ehemaligen Leser der weltberühmten Storys über den treuherzigen „Bär von sehr geringem Verstand“ sind wohl auch die Hauptzielgruppe dieses kleinen Schicksalsdramas, das nicht nur prominent besetzt, sondern auch sehr edel ausgestattet und inszeniert ist. Die Hauptdarsteller Domhnall Gleeson und Margot Robbie präsentieren sich in wunderschönem Englisch – wir empfehlen die Originalfassung! – als kultivierte, wenn auch gefühlsarme Bürger der Upper Class.
Man braucht eine gewisse Zeit, um in die Geschichte einzutauchen. Doch je länger der Film dauert, um so tiefer wird die Verbundenheit mit diesem Christopher Robin, der von der ganzen Welt beneidet wurde und doch ein unglückliches Kind war.
IDEAL FÜR: Freunde der Geschichten von Pu dem Bär.