Global Shopping Village

Die Verödung der Städte


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Und wieder ist ein Shopping Center fertig: Vorfreude auf viel Profit © Polyfilm
DIE STORY: Die Doku „Global Shopping Village“ berichtet sehr sachlich (und das bedeutet: knallhart) darüber, wie Shopping Center die Einkaufsgewohnheiten und damit die Städte verändern. Eine Fläche von der Größe des Fürstentums Liechtenstein, so erfährt man zu Beginn, ist heute in Europa schon von Shopping Centern belegt. Und es werden immer mehr. Dafür sorgen die Shopping Center Entwickler, die Standortberater, die Architekten, die Investoren und die Politiker, die interessiert daran sind, aus Brachflächen Einkaufszentren zu machen.
Der Film von Regisseurin Ulli Gladik zeigt, wie die neuen Konsumtempel alte Stadtzentren veröden lassen. Von aberwitzigen Profiten ist die Rede („bei 100 Millionen Euro Kosten können 25 Millionen beim Entwickler bleiben“) und davon, dass das Argument der Schaffung von Arbeitsplätzen fadenscheinig sei. Weil die neuen Jobs in den Shopping Citys mit den verlorenen Jobs in den Ortszentren bezahlt werden.
„Global Shopping Village“ macht deutlich, wie die Gier den Investoren das Hirn vernebelt: „Wir haben in Rumänien Grundstücke um 300 Millionen Euro, die um eine Milliarde eingekauft wurden“, sagt ein Manager der österreichischen ImmoFinanz. Und auch das K-Wort taucht auf, Korruption: „Wenn ein Bürgermeister auf die Barrikaden geht für ein Shoppingcenter-Projekt, das alle anderen ablehnen, dann ist zu erwarten, dass er bestochen ist.“
 
DIE STARS: Keine Stars. Die aus der Steiermark stammende Wiener Regisseurin Ulli Gladik, die auch als Fotografin und freischaffende Künstlerin arbeitet, legt ihre zweite Dokumentation vor.  „Global Shopping Village“ liefert interessante Einsichten und ist spannend wie ein Krimi.
 
Aus der Traum: Ein leeres Shopping Center, das aufgegeben wurde © Polyfilm

DIE KRITIK: Eine Autofahrt durchs neblige Niederösterreich. Thomas Kronsteiner – einst Fußball-Profi, heute Shoppingcenter-Entwickler – deutet auf eine Wiese unterhalb einer markanten Kirche. „An solchen Orten möchte ich meine Zentren uneingeschränkt hinbauen… dürfen.“
Das Problem für die Händler in den Städten: Allzu oft dürfen die geschäftstüchtigen Geschäftebauer ihre neuen Zentren hochziehen. „Weil der Mensch bequem ist“, analysiert ein Standortberater, der in einem grauen Einkaufsareal akribisch Fotos schießt („wo jetzt der Fressnapf drin ist, war früher der Turbo-Schuh drinnen“). Die Menschen, glaubt der Standortentwickler, steigen bei Regen lieber ins Auto, um einen Liter Milch zu kaufen, anstatt zu Fuß den Regenschirm aufzuspannen. „Das ist durch keine Verordnung änderbar. Außer, man verbietet Autos“.
Schöne neue Einkaufswelt. „Global Shopping Village“ blickt sehr skeptisch auf die Veränderung der Infrastruktur durch die neuen Zentren. Aber Regisseurin Ulli Gladik  muss diese Kritik selbst gar nicht äußern. Die Bilder sprechen für sich. Und die Aussagen der handelnden Personen auch.
Auftritt des deutschen Architekten Walter Brune, der vom Vorreiter zum Kritiker der Shopping-Center-Welle wurde. In den Sechzigern baute er ein erstes großes Einkaufszentrum in Mülheim an der Ruhr. Doch dann? „Was passierte, war, dass die schönste Einkaufsstraße in Mülheim plötzlich die Mieter verlor. Die zogen in das neue Center. Ich musste als Städtebauer erkennen, du hast einer Stadt die Seele und das Herz rausgerissen.“
Es ist freilich nicht unbedingt so, dass dies die Nutzer der Shopping Center bedauern würden. Man sieht Werner Gruber, den Manager der Arena in Fohnsdorf, wie er ein paar junge Leute nach ihren Wünschen befragt. Natürlich hätten die nix gegen ein paar trendige neue Marken-Shops oder gegen mehr Gastronomie. Aber ihre Kernfrage lautet: Warum werden an der Mall nicht gleich auch Wohnungen gebaut?
Der Unternehmer hört es mit Interesse. Längst sorgt er sich selbst, wie es weitergehen soll. Denn der Boom bekommt Kerben. Die Kamera fährt an neuen und vermutlich sündteuer gebauten Shopping-Tempeln vorbei, die zu 90 oder gar zu 100 Prozent leer stehen. Eine Center-Managerin in Kroatien beklebt die leeren Schaufenster mit Sinnsprüchen: „Ein Lächeln macht das Leben schöner.“

„Wo geht die Reise hin?" Shopping-Center-Entwickler Thomas Kronsteiner © Polyfilm

„Endstation Kaufrausch“ – so lautet der Untertitel dieses höchst sehenswerten Films. Die Herren mit Anzug und Krawatte, die bei den Branchenmessen in München und Cannes über neue Projekte verhandeln, haben noch viele Pläne in petto. Vielen Bürgern wäre es wohl lieber, wenn sie diese Pläne wieder einrollen würden. Selbst manche Macher sind skeptisch. „Wo geht die Reise hin?“ fragt der Entwickler Kronsteiner sich selbst und das Publikum. „Das sind schon Ängste in irgendeiner Form.“ Als Liebhaber lebendiger Stadtzentren muss man diese Ängste nicht teilen.
 
IDEAL FÜR: alle, die an den Trends und Entwicklungen in unserer Lebens-Umwelt interessiert sind.






Trailer
LÄNGE: 80 min
PRODUKTION: Österreich 2014
KINOSTART Ö: 24.10.2014
REGIE:  Ulli Gladik
GENRE: Dokumentation
ALTERSFREIGABE: jugendfrei